Die Bunte – Michelangelo aus der Eifel
Michelangelo aus der Eifel
Ein Vogelmensch am Himmel (Bild links) . Efeu an der Wand: So bemalte der Künstler Rainer Maria Latzke das Foyer seines 37-Zimmer Schlosses. „Chateau Thal“ im belgischen Kettenis bei Eupen. Rainer Latzke schafft es, das menschliche Auge zu betrügen. Der Schüler von Joseph Beuys malt Natur auf die Wand. Und nicht nur Millionäre zahlen dafür eine Menge Geld.
Unter dem Mauerbogen in einer dunklen Nische thront die Buddhafigur. 30 Zentimeter hoch, ganz aus Gold, besetzt mit funkelnden Diamanten. Ein Meisterstück. Man muss es einfach berühren.
Doch die Hand prallt vor der Nische ab. Reingefallen. Auf Rainer Maria Latzke. Der Mauerbogen, die Nische, der Buddha: Nichts davon ist da. Nur die Wand. Denn wo Latzke war, darf man seinen Augen nicht trauen. Die Illusion ist das lukrative Geschäft des 38jaehrigen Malers Latzke. Seine Wandmalerei hat den Sohn eines Lehrerehepaares aus der Eifel zum Millionär gemacht. Sein Werdegang: Studium bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie, kurze Zeit Kunsterzieher, dann wenig beschäftigter Zeichner und Karrikaturist.
Während einer Italienreise entdeckte Latzke, wozu er sich berufen fühlt: „Ich sah die Wandmalereien Michelangelos und wusste: Das ist es, was ich machen will.“
1981 der erste Auftrag: die Decke einer Pizzeria bemalen. Der Lohn: 30 mal gratis Pizza.
Heute streicht der Michelangelo aus der Eifel Honorare in sechsstelliger Höhe ein. Reiche Unternehmer, Scheichs und Manager zählen zu seinen Kunden.
Meist sind es Schwimmbäder, denen Latzke neue Aussichten verpasst. Ein Vertriebener aus Ostpreußen orderte eine masurische Seenlandschaft – und schickte Latzke erst einmal in das polnische Viel-Seen-Land. Damit das Gemälde auch richtig masurisch ausfällt.
Zu Therapiezwecken pinselte Latzke die Silhouette New Yorks an die Schwimmbadwand eines Wüstenpalastes in Dubai. Der Sohn des Hauses zerbrach nach seinem langen USA-Studium an Fernweh. So ließ der Vater eben die Wüstenöde mit Broadway und Chrysler-Building aus dem Farbtopf aufpeppen.
Den eigenen Traum von der weiten Welt erfüllt sich Latzke in seinem belgischen 37-Zimmer-Schloss. Wie im Spiegelkabinett irrt der Besucher durch die Räume. Der Trick des Künstlers: Hinter dem echten Tisch stehen gemalte Stühle; hinter einem Vorhang zeigt ein „künstlerisches“ Fenster den Blick auf einen fantastischen Wald. So vollzieht Latzke den Schritt von der Realität in die Illusion. „ich freue mich, sagt er, „wenn Leute ins Bild“ stolpern.
Von Michl Rauch