Madame – Die Visionen des Rainer Maria Latzke
Die Visionen des Rainer Maria Latzke: Gemalte Luftschlösser
In der Meisterklasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie in Düsseldorf war er der bunte Hund – nicht nur im bildlichen, sondern auch im farblichen Sinn. Denn nichts könnte der asketischen und gedankenschweren Welt des Vaters der neueren deutschen Malerei (Beuys nämlich) ferner liegen als die mit Farben und Fabeln prunkenden Traumwelten des Rainer Maria Latzke. „Wir hatten einander nicht viel zu sagen, aber er ließ mich meinen Weg gehen“, resümiert der Freskenmaler seine Hochschulzeit. Damals, als sich hoffnungsvolle junge Künstler um den Meister mit Hut scharten, galt Latzke mit seinen realistisch gemalten, phantastischen Bildern als Klassen-Outsider. Heute, wo die Kritik an Aufklärung und Moderne in vollem Schwange ist, Feuilletons die Postmoderne feiern und Künstler, Architekten und Schriftsteller sich ohne Scheu aus dem Fundus der Geschichte bedienen, ist Rainer Maria Latzke auf der Höhe der Zeit.
Die Jahre der Unsicherheit und der Not sind vorbei. Der 35 jährige genießt den Erfolg in vollen Zügen. Er hat sich ein Schloss gekauft, gönnt sich ohne finanzielle Reue Champagner und Austern („Das war das erste, was ich mir kaufte, wenn ich in der schlechten Zeit ein Bild verkaufen konnte.“) und steuert zu seinen Terminen einen Wagen der Luxusklasse. Mögen seine einstigen Kommilitonen in New Yorker Galerien ausgestellt oder höchstbietend versteigert werden, er hat es ihnen auf seine Art gleichgetan. Immer länger wird die Liste der betuchten, internationalen Kunden, die auf ein Fresko, auf ein Wandbild des Malers warten. Ölscheichs, Villenbesitzer, Schlossherren. Automobilkonzerne und sogar eine Rockgruppe sind dabei. Was sie alle fasziniert: die permanent in Acryl gebannte Traumwelt, das zusammenmit dem Künstler konzipierte Unikat für die eigenen vier Wände, die ganze persönliche unendliche Geschichte, die sich zwischen Decke und Fussboden abspielt. Für den modernen Geldadel hat Latzke eine aristokratische Kunstform zu neuem Leben erweckt – die Illusion von vergangenen Architekturen mit ihren Säulen und Bögen, exotische Welten und das Arkadien des 18. Jahrhunderts mit Schäfer und Idyll, Brunnen und Ruine.
Kreative Lehrjahre in Italien
Wer schon einmal durch Paläste gewandert ist, wird sie in den Schwimmbädern und Esszimmern Rainer Maria Latzkes wiedererkennen, die Trompe-l’oeil-Malerei. Zweidimensionale Luftschlösser der Aristokratie. Es gibt keinen eigenen Lehrstuhl für Freskenmalerei in der Bundesrepublik. Also zog der junge Künstler nach Italien und studierte in Rom und Florenz die Techniken der alten Meisterwerke – allen voran Michelangelos Sixtinische Kapelle. Wie einst für seine Vorbilder, so ist auch für Latzke die Ausführung eines Freskos harte körperliche Arbeit, Stunden in teils abenteuerlichen Körperhaltungen, auf Staffeleien und Leitern balancierend. Seine erste Auftragsarbeit war eher ein Tauschgeschäft: Er durfte in einer kleinen Pizzeria umsonst essen und trinken und „bannte“ dafür italienische Szenen an die Wand. Rainer Maria Latzke malt auf Bestellung. Das war in den Jahrhunderten, die er in seiner Arbeit ausdrückt, kein Schimpfwort.
Nachhilfe für die Phantasie
Von Raffael beispielsweise gibt es präzise Verträge, worin fürstliche und kirchliche Auftraggeber sehr genau festlegten, wie die Madonna auszusehen habe, wie teuer die Farbe sein dürfe und welcher Anteil am Werk aus der Hand des Meisters selbst stammen müsse. Der Kunst – und Künstlerbegriff hat sich da entschieden gewandelt. Der Handwerker ist dem Genie gewichen, der Auftrag der ungebundenen Inspiration. Hat Latzke mit seinem anachronistischen Zug zu kämpfen? Der Maler aus dem Rheinland, der in Kleidung und Frisur eher einem Rockstar ähnelt, grinst und winkt ab. „Ich habe mit Kommerz keine Probleme.“ Die Frage, ob das, was er produziere, Kunst sei, ist für ihn nicht (oder vielleicht nicht mehr) von Belang. „Ich möchte den Leuten träumen helfen, sie ihre Phantasien ausleben lassen und ganz einfach unterhalten.“ Auch letzteres ist kein Schimpfwort im Vokabular des Rainer Maria Latzke. Und so sind seine monumentalen Werke dem Kino nicht unverwandt. Da lassen die Science-Fiction-Phantasien von Steven Spielberg und George Lucas grüßen. Landschaften von Fantasy – Filmen sind ebenso parat wie kleine Hommagen an Walt Disney. Konsequenterweise ersetzt er die Trivialkultur von einst mit der von heute.
Fürstenkunst für den Geldadel
Das Fresko wird mit dem Kunden genau besprochen. Doch für jeden hat der Maler bisher eine kleine Überraschung hinterlassen, die sich erst nach längerem Hinsehen offenbart – irgendein Ding oder Wesen ist immer, das da unvermutet hervor lugt. Die Zeiten haben sich geändert, die Räume auch. Die aristokratischen Bildfluchten, die hier entstehen, sind für moderne Häuser bestimmt und für karge Funktionsbauten. Da ist die Illusion gewissermaßen doppelt gefragt, muss sie doch zusätzlich über eine oft völlig illusionslose Architektur hinwegtäuschen, während sie an der Wand bunte Geschichten entfaltet. Privat leistet sich der erfolgreiche Künstler den räumlichen Luxus, den er für andere malt. In Belgien hat er sich Schloss Thal gekauft. Ein Bau mit 37 Zimmern aus dem späten 18. Jahrhundert, in dem er seine ureigensten Wohnideen verwirklichen will. So sollen künftige Kunden die Gelegenheit haben, den verschwenderischen Reichtum von Latzkes Kunst aus erster Hand bewundern zu können. Außerdem soll das Schloss auch eines Tages ein künstlerischer und geistiger Treffpunkt werden. Das wäre dann die nächste Etappe im Leben von Rainer Maria Latzke, dem Unzeitgemäßen: der Künstlerfürst und Mäzen.
von Alexandra Felts
Die Visionen des Rainer Maria Latzke: Gemalte Luftschlösser
In der Meisterklasse von Joseph Beuys an der Kunstakademie in Düsseldorf war er der bunte Hund – nicht nur im bildlichen, sondern auch im farblichen Sinn. Denn nichts könnte der asketischen und gedankenschweren Welt des Vaters der neueren deutschen Malerei (Beuys nämlich) ferner liegen als die mit Farben und Fabeln prunkenden Traumwelten des Rainer Maria Latzke. „Wir hatten einander nicht viel zu sagen, aber er ließ mich meinen Weg gehen“, resümiert der Freskenmaler seine Hochschulzeit. Damals, als sich hoffnungsvolle junge Künstler um den Meister mit Hut scharten, galt Latzke mit seinen realistisch gemalten, phantastischen Bildern als Klassen-Outsider. Heute, wo die Kritik an Aufklärung und Moderne in vollem Schwange ist, Feuilletons die Postmoderne feiern und Künstler, Architekten und Schriftsteller sich ohne Scheu aus dem Fundus der Geschichte bedienen, ist Rainer Maria Latzke auf der Höhe der Zeit.
Die Jahre der Unsicherheit und der Not sind vorbei. Der 35 jährige genießt den Erfolg in vollen Zügen. Er hat sich ein Schloss gekauft, gönnt sich ohne finanzielle Reue Champagner und Austern („Das war das erste, was ich mir kaufte, wenn ich in der schlechten Zeit ein Bild verkaufen konnte.“) und steuert zu seinen Terminen einen Wagen der Luxusklasse. Mögen seine einstigen Kommilitonen in New Yorker Galerien ausgestellt oder höchstbietend versteigert werden, er hat es ihnen auf seine Art gleichgetan. Immer länger wird die Liste der betuchten, internationalen Kunden, die auf ein Fresko, auf ein Wandbild des Malers warten. Ölscheichs, Villenbesitzer, Schlossherren. Automobilkonzerne und sogar eine Rockgruppe sind dabei. Was sie alle fasziniert: die permanent in Acryl gebannte Traumwelt, das zusammenmit dem Künstler konzipierte Unikat für die eigenen vier Wände, die ganze persönliche unendliche Geschichte, die sich zwischen Decke und Fussboden abspielt. Für den modernen Geldadel hat Latzke eine aristokratische Kunstform zu neuem Leben erweckt – die Illusion von vergangenen Architekturen mit ihren Säulen und Bögen, exotische Welten und das Arkadien des 18. Jahrhunderts mit Schäfer und Idyll, Brunnen und Ruine.
Kreative Lehrjahre in Italien
Wer schon einmal durch Paläste gewandert ist, wird sie in den Schwimmbädern und Esszimmern Rainer Maria Latzkes wiedererkennen, die Trompe-l’oeil-Malerei. Zweidimensionale Luftschlösser der Aristokratie. Es gibt keinen eigenen Lehrstuhl für Freskenmalerei in der Bundesrepublik. Also zog der junge Künstler nach Italien und studierte in Rom und Florenz die Techniken der alten Meisterwerke – allen voran Michelangelos Sixtinische Kapelle. Wie einst für seine Vorbilder, so ist auch für Latzke die Ausführung eines Freskos harte körperliche Arbeit, Stunden in teils abenteuerlichen Körperhaltungen, auf Staffeleien und Leitern balancierend. Seine erste Auftragsarbeit war eher ein Tauschgeschäft: Er durfte in einer kleinen Pizzeria umsonst essen und trinken und „bannte“ dafür italienische Szenen an die Wand. Rainer Maria Latzke malt auf Bestellung. Das war in den Jahrhunderten, die er in seiner Arbeit ausdrückt, kein Schimpfwort.
Nachhilfe für die Phantasie
Von Raffael beispielsweise gibt es präzise Verträge, worin fürstliche und kirchliche Auftraggeber sehr genau festlegten, wie die Madonna auszusehen habe, wie teuer die Farbe sein dürfe und welcher Anteil am Werk aus der Hand des Meisters selbst stammen müsse. Der Kunst – und Künstlerbegriff hat sich da entschieden gewandelt. Der Handwerker ist dem Genie gewichen, der Auftrag der ungebundenen Inspiration. Hat Latzke mit seinem anachronistischen Zug zu kämpfen? Der Maler aus dem Rheinland, der in Kleidung und Frisur eher einem Rockstar ähnelt, grinst und winkt ab. „Ich habe mit Kommerz keine Probleme.“ Die Frage, ob das, was er produziere, Kunst sei, ist für ihn nicht (oder vielleicht nicht mehr) von Belang. „Ich möchte den Leuten träumen helfen, sie ihre Phantasien ausleben lassen und ganz einfach unterhalten.“ Auch letzteres ist kein Schimpfwort im Vokabular des Rainer Maria Latzke. Und so sind seine monumentalen Werke dem Kino nicht unverwandt. Da lassen die Science-Fiction-Phantasien von Steven Spielberg und George Lucas grüßen. Landschaften von Fantasy – Filmen sind ebenso parat wie kleine Hommagen an Walt Disney. Konsequenterweise ersetzt er die Trivialkultur von einst mit der von heute.
Fürstenkunst für den Geldadel
Das Fresko wird mit dem Kunden genau besprochen. Doch für jeden hat der Maler bisher eine kleine Überraschung hinterlassen, die sich erst nach längerem Hinsehen offenbart – irgendein Ding oder Wesen ist immer, das da unvermutet hervor lugt. Die Zeiten haben sich geändert, die Räume auch. Die aristokratischen Bildfluchten, die hier entstehen, sind für moderne Häuser bestimmt und für karge Funktionsbauten. Da ist die Illusion gewissermaßen doppelt gefragt, muss sie doch zusätzlich über eine oft völlig illusionslose Architektur hinwegtäuschen, während sie an der Wand bunte Geschichten entfaltet. Privat leistet sich der erfolgreiche Künstler den räumlichen Luxus, den er für andere malt. In Belgien hat er sich Schloss Thal gekauft. Ein Bau mit 37 Zimmern aus dem späten 18. Jahrhundert, in dem er seine ureigensten Wohnideen verwirklichen will. So sollen künftige Kunden die Gelegenheit haben, den verschwenderischen Reichtum von Latzkes Kunst aus erster Hand bewundern zu können. Außerdem soll das Schloss auch eines Tages ein künstlerischer und geistiger Treffpunkt werden. Das wäre dann die nächste Etappe im Leben von Rainer Maria Latzke, dem Unzeitgemäßen: der Künstlerfürst und Mäzen.
von Alexandra Felts