Bild am Sonntag – Rainer malt die heile Welt
Rainer malt die weite Welt auf Ihre Wand
Swimmingpool am Amazonas
Martina Schain, Tochter eines Transportunternehmers, genießt die Scheinwelt mit Flamingos im Rheinland. New York an der Leine: Die Scorpions haben sich ihr Studio nach New York „verlegen“ lassen – von Rainer und Markus Latzke, beide in Weiß. Lustgarten im Ruhrpott: Rainer Maria Latzke vor seinem Fresko im Partykeller eines Stahlmanagers. Der echte Brunnen ist halb gemalt, halb gemauert. Göttin in Aachen: In dieses Planschbecken mit göttlicher Badeaussicht springt ein Aachener Sanitär Großhändler.
Die echte Welt des Malers
Rainer Latzke lebt seine Phantasien aus, inmitten von Kohlfeldern am Niederrhein. Die malerische Idylle teilen sich hier Sohn Rene und Töchterchen Katharina, die den Schäferhund heimlich mit Papas teurer Farbe angemalt hat
Keiner putzt diese Fenster
Gitarrist Rudolf Schenker (36, links) und Sänger Klaus Meine (37) in ihrem Studio. Die „Scorpions“ blicken durch Latzke- „Fenster“ auf einen New Yorker Hinterhof. Das Bikini Mädchen lebt. Der Boden lässt sich hochfahren, darunter liegt ein Swimmingpool.
Pizza am Rhein – mit Blick aufs Meer. Der Wirt der Pizzeria „Pinocchio“ macht seine Geschäfte in Mechernich, doch die Sehnsucht nach Italien blieb. Latzke stillte sie mit Säulen und Meer, der Raum wirkt zugleich viel grösser. Das gibt´s von mir umsonst, sagt der Meister des Weit- und Durchblicks.
Mallorca im Keller, Sternenhimmel im Wohnzimmer, ein Pariser Bistro in der Küche – Latzke lässt sich da nicht lumpen. Er holt Ihnen die weite Welt ins Haus, sozusagen den täglichen Urlaub an die Wand. Zugegeben, ein bisschen verrückt ist er schon (und auch noch ein bisschen teuer). Aber auf andere Gedanken bringt´s doch – wenn man die schönen Bilder auf dieser und den nächsten Seiten sieht. Latzke, der Wandmaler heißt natürlich nicht einfach Latzke, sondern Rainer mit Vornahmen, ist 34 Jahre alt, sitzt mitten im platten Kappes-Land am Niederrhein und schwelgt in exotischen Phantasien. „Die müssen vom Kopf gleich in den Pinsel laufen“.
Mit dem Pinsel sprengt er jeden Raum.
Er arbeitet am liebsten für Leute, die Geld haben, aber nicht die Zeit haben um groß zu verreisen. Für sie holt er rosa schimmernde Flamingos in saftigem Urwaldgrün so geschickt in den Keller-Swimmingpool, dass der Betrachter nicht mehr weiß, was echt ist und was Latzke. „Ich hab gemerkt, dass ich mit Wänden gut zurechtkomme“, so der Steinbock-Geborene, der acht Brüder und Schwestern hat. Wie ein Zauberer lässt er Wände verschwinden, sprengt mit dem Pinsel den Raum. Ich muss tatsächlich die Finger nehmen, um den Übergang von Keramik zur Malerei festzustellen.
Anruf aus London…auf in die Wüste!
Während Tochter Katharina (1 1/2) gerade den Schäferhund Aladin weiß anmalt und Latzke in der riesigen Küche des gemieteten Gutshauses (mit 16000 qm Grund) die letzte Hand an das nächtliche Empire State Building in New York legt, kommt ein Anruf aus London. Der Architekt eines arabischen Scheichs möchte den Maler in die Wüste schicken – wahrscheinlich muss er dort Wasser malen. Ideen muss man haben. Latzke hatte bei Beuys (der mit dem schwarzen Filzhut) gelernt- oder besser nichts gelernt, wie er sagt. „Anfangs wusste ich auch nicht, wovon ich leben sollte. Da bin ich dann 2 Jahre nach Italien gegangen, habe alte Meister und Techniken studiert.
Diese Wand und Deckenbilder – toll. Ich hab dann ein Schwimmbad ausgemalt, das gefiel.“ Und so langsam schwamm er sich frei.
Weihnachten naht – das kostet Latzke.
Das wenigstens hatte er von Beuys gelernt. Klappern gehört zum Handwerk. Oder a la Latzke. „Der Papst muss erst mal die Kirche vollkriegen“. Da hängt er sich dann auch schon mal als malender Supermann unter den Glitzerhimmel seines Wohnzimmers. Kitschig! Seine flinke Antwort: „Typisch deutsch, immer die Angst vor Kitsch. Schön ist, was gefällt. Ich will kein Rembrandt für Neureiche sein. Man muss sich als Künstler bekennen. Da muss eine Idee zum Ausdruck kommen. Klar, das soll richtig in den Kopf gehen“. Und in den Geldbeutel. Heute malt Latzke mit Farben, von denen ein Töpfchen 50 Mark kostet, schnell streicht der Meister da 10000 bis 80000 Mark für eine handbemalte Wohnung ein- dann denken sie aber auch, sie leben im Schloss. Zwei seiner Brüder machen mit, Markus (20) lernt erst mal „kilometerweise gerade Striche ziehen“. Thomas (28) ist für die Elektronik zuständig- die kannten die alten italienischen Meister ja nicht. Hier ein Drähtchen, da ein Birnchen – und schon leuchtet ein Drachenauge in …… rot. Das ist echt manchmal spannender als Fernsehen. Wer hat schon Theater an der Wand?
von Rainer Rixen