Rundschau am Sonntag, Germany – Castles in the air and painted Illusions
Luftschlösser und gemalte Illusionen
Eine Tellerwäscher-Karriere auf europäisch, die dennoch in den kalifornischen Prominentenort Malibu führt: die Lebensstory des Rainer Maria Latzke aus der Eifel, der mit dem Pinsel in der Hand aufstieg zum Multimillionär.
Solche Geschichten müssten eigentlich nach alter Märchenerzählsitte mit „Es war einmal“ beginnen. Also: Da lebte in einem Dörfchen bei Münstereifel, danach in Euskirchen ein Knabe mit acht Geschwistern in nicht üppigsten Verhältnissen. Die Eltern hatten die Kunstakademie absolviert und der Vater brachte die Seinen als Schulmeister durch. Heute ist der Sohn Schlossbesitzer, fährt Rolls Royce, lebt in Kalifornien recht unbeschwert und kann sich den geliebten Champagner leisten, wann immer es ihn gelüstet. Nicht eine gute Fee hat ihm solchen Segen beschert, sondern ein Näschen für die Sehnsüchte derer, die viel, viel Geld ausgegeben können.
Rainer Maria Latzke malt den Reichen die Wände an- die von Schwimmbädern vornehmlich. Ganze Traumlandschaften und -städte lässt er am Poolrand entstehen, und die sind seinen Auftraggebern 300.000 Mark wert. „Kunst lag bei uns in der Luft,“ erzählt der 42 jährige, und so war es für ihn klar, dass er nach dem Abitur Kunst studierte, zunächst in Mainz dann in Düsseldorf, wo in jener Zeit Joseph Beuys neue Wege wies. Mit denen allerdings war Rainer Maria Latzke gar nicht einverstanden. „Ich bin nicht sehr politisch und ich wollte nicht immer an Meetings teilnehmen.” Zu Hause hat er dann alleine das Malen geübt und mit seiner Abschlussarbeit „Schloss am Meer“ doch die Anerkennung als Meisterschüler erreicht.
„Ich hatte auch noch Philosophie studiert und habe dann in Euskirchen und Zülpich als Lehrer gearbeitet. Wahrscheinlich war ich ein lausiger Lehrer – die Schüler haben immer in meinem Unterricht Karten gespielt.“ Irgendwann hatte er das Gefühl, “als Kunsterzieher in der falschen Schlange zu stehen“, so machte er sich auf nach Frankreich und Italien, um weiter zu studieren. Großformatige Bilder und die Renaissancemalerei in Italien vor allem sprachen ihn an. „Ich hab viel gelernt“. Den alten Meistern fühlte er sich entschieden stärker verbunden als den Mitstudenten, die inzwischen als die „jungen Wilden“ ihre Talente erprobten. „Solche Bilder sehe ich in meinem Kopf nicht.“ Vom Bilderstudieren und kopieren konnte man natürlich nicht leben, so nahm Latzke Aufträge an. „Ich habe den Leuten das Haus bemalt“ – für Unterkunft und ein Essen zunächst. Dann spielte ein Freund Schicksal.
Kunst lag in der Luft
Im Elternhaus von Rainer Maria Latzke allerdings nicht der kommerzielle Erfolg. Mit acht Geschwistern wuchs er als Sohn eines Lehrers auf. Kunst lag auch in der Luft, als Latzke in Düsseldorf zu Zeiten des hochberühmten Joseph Beuys studierte, doch dessen Avantgarde und politischen Idee behagten ihm weniger. Mit seiner Abschlussarbeit „Kunst am Meer“ erreichte der heutige Schlossherr dennoch die Anerkennung als Meisterschüler. Inzwischen war der Rheinländer wieder in seiner Heimat gelandet und ein befreundeter Fotograf verhalf ihm zu einer Story in der Programmzeitschrift „Prisma“.„Danach kriegte ich auf einmal 5000 Mark für ein Werk.“ Anfang der 80er Jahre war das und der Lehrersohn lernte schnell, den Bedürfnissen möglicher Kunden nachzuspüren. „die Leute haben Sehnsucht nach weiten unberührten Landschaften – heute ist alles so voll. Heile Welt hört sich doof an – aber es ist doch ein erstes Ziel, in einer schönen Umgebung zu leben.
In München wagte Latzke das erste Mal, 50000 Mark für eine Bemalung zu fordern – und registrierte, dass der Preis schmerzlos akzeptiert wurde. Sehr geschäftstüchtig schätzte er nach dieser Erfahrung seinen Marktwert ein. Er sei zwar ein lausiger Schüler gewesen, aber dass 100000 plus 100,000 200.000 ergibt, habe er schon früh begriffen. Die jetzt verlangten 300.000 für ein Oeuvre “zahlen Auftraggeber locker – ‚aber das tut ihnen richtig weh“, meint er mich nicht ganz verhohlener Freude. Begüterte in Saudi – Arabien und der Türkei, Österreich, der Schweiz und Deutschland plantschen inzwischen in Latzke-Bädern. Auch Hotelanlagen präsentieren sich im typischen Paradiesgartendesign – das seit einem Jahr sogar erschwinglicher geworden ist. Der erfolgreiche Raumgestalter hat Classics International gegründet, eine Firma, die für nur 100.000 Mark mit einem Team von sechs Mitarbeitern die gleichen Projekte abwickelt.
Etabliert ist das Unternehmen in Schloss Thal im belgischen Kettenis nahe Eupen, das Latzke 1986 erwarb und als Wohnstatt herrichtete. Berühmte hatte dieses Anwesen aus dem 18. Jahrhundert schon als Gäste gesehen- wenn auch nicht gerade solche, die sich ein Latzke Bad hätten leisten können. 1762 beherbergte Schlossbesitzer Graf Ry den damals 37jährigen Casanova, der bei der Abreise nach einer offenbar langen Nacht den Weinkeller des Gastgebers lobt. Anderthalb Jahre später ist Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang Amadeus und Nannerl unterwegs von Aachen nach Belgien- und hofft dringlich auf Gastrecht im Haus Thal. In Köln hat die Familie Graf Ry kennengelernt und setzt auf seine Musikbegeisterung. „Wenn die Kinder nicht zu müde sind, werden wir heute Abend noch ein wenig musizieren. Vielleicht nimmt uns der Fuerst für ein paar Tage bei sich auf“, wird Vater Mozart in einer Broschüre über das Schloss zitiert, das bis 1920 im Besitz der Familie Ry blieb, dann als Hotel- und Klosterschule diente, bis Maler Latzke sich hier etablierte. Als Kind hatte er schon davon geträumt, einmal im Schloss zu wohnen. Jetzt würde er das 35-Zimmer-Gebäude gern wieder verkaufen, nachdem er mit Frau und drei Kindern nach Malibu in Kalifornien übergesiedelt ist. Irgendwie hatte er sich das „toller vorgestellt“, Schlossbesitzer zu sein, obwohl er doch sein Schlafgemach im Stil von 1001 Nacht in ein blaugoldenes Arabesken-Schmuckstück verwandelt hatte. Wenigstens der Reiz des Rolls-Royce-Fahrens hat noch nicht ganz nachgelassen, wenn auch für Stippvisiten im Büro ein gewöhnlicher BMW genehm ist.
Natürlich hat der Maler das Schloss persönlich ausgestaltet – seine romantische Landschaftsvorstellung ist in der Bibliothek zu bewundern. Die Trompe-l’oeil Technik ist an vermeintlichen Säulen und Mauervorsprüngen dokumentiert. Ebenso Fertigkeit in Stuckarbeiten. Mit diesen Elemente auch schafft das Classics-Team raumerweiternde Verwandlungen in den Objekten der Auftraggeber. Da Hallenschwimmbäder häufig in fensterlosen Untergeschossen etabliert werden oder allenfalls eine Fensterseite haben sind sie ideales Arbeitsfeld für Wandbemalung. Durch aufgemalte Säulen verschafft man dem Betrachter einen Blick in lichte, traumhafte Gärten oder auf anheimelnde Architektur. Der Himmel wird einbezogen, so geschickt auf die Decke gepinselt, dass er sich im Wandbereich ins Bild eingefügt. Echte Stoffdraperien der Decke setzen sich scheinbar in Portieren fort – ein vielfältiges Kulissenspiel wird möglich. Klein – Venedig hat das Unternehmen Latzke einem Freiburger Unternehmensberater ins Hallenbad gezaubert. Träumerische Lagunen- Atmosphäre wird beschworen – einschließlich eines die Treppe herab schreitenden Geistes, der allerdings sehr an den Sarotti-Mohr erinnert. Dabei wird deutlich, dass menschliche Gestalten den Maler weniger elegant geraten. Der muskelbepackte Recke, der in der Eingangshalle von Schloss Thal von der Decke herabdräut, könnte Albträume auslösen, die Putten in eine Wandüberbau sind reichlich pausbäckig geraten. Doch über Geschmack lässt sich streiten – und der Geschäftserfolg gibt Rainer Maria Latzke recht. „ich bin wahrscheinlich der am besten bezahlte Künstler in Europa“, ist er sich sicher – und nur ein bisschen vergrätzt, dass er in der Kunstszene nicht so recht anerkannt ist. „Dabei ist Auftragskunst durch die Jahrhunderte normal gewesen.“ Ob er für die Anerkennung das Wohlleben hingeben würde und wie ein van Gogh lieber nachfolgende Auktionatoren reich machen? Die Antwort ist ein vages Kopfschütteln – und schließlich ist auch sein Vater stolz auf ihn.
von Gisela Siebert